Zutrauen statt Kontrolle: Wie Kinder selbständig werden

Gedanken übers Zutrauen, Vertrauen und Loslassen

Eine meiner wichtigsten Aufgaben als Mutter ist es, meine Kinder zu selbständigen, verantwortungsvollen Erwachsenen zu erziehen. Das ist nicht immer einfach – denn es bedeutet oft, loszulassen. Es bedeutet, ihnen Dinge zuzutrauen, bei denen ich innerlich vielleicht kurz die Luft anhalte. Und es bedeutet, darauf zu vertrauen, dass sie ihren eigenen Weg finden – auch wenn er nicht immer der bequemste oder geradlinigste ist.

Ich erinnere mich gut an eine der ersten Situationen, in der ich bewusst beschlossen habe, meinem Kind zuzutrauen, selbst eine Entscheidung zu treffen: Es war noch klein, stand unter einem Baum und wollte hinaufklettern. Ich habe nicht gesagt: „Pass auf, das ist zu gefährlich!“ – sondern:
„Klettere so weit hinauf, dass du alleine wieder heil runterkommst.“

Dieser einfache Satz war nicht nur eine Aufforderung zur Vorsicht, sondern vor allem eine Aufforderung, sich selbst einzuschätzen lernen und gleichzeitig mein Ausdruck von Vertrauen. Und es hat genau das getan – vorsichtig, neugierig, mutig.

Solche Momente prägen. Nicht nur das Kind, sondern auch mich als Mutter.

Je älter meine Kinder wurden, desto mehr habe ich versucht, ihnen immer wieder bewusst Verantwortung zu übergeben. Eine dieser Entscheidungen war, dass sie mit dem öffentlichen Verkehr ins Training gehen sollten – und zwar ganz ohne Handy. Ich wollte, dass sie lernen, mit der Realität klarzukommen: selber Anzeigetafeln zu lesen, umzudenken, wenn ein Bus ausfällt, oder einen Weg zu finden, wenn sie aus Versehen im falschen Zug gelandet sind. (Spoiler: Das ist alles tatsächlich passiert.)

Natürlich hätte ich ihnen einfach ein Handy mitgeben können. Dann hätten sie im Zweifel sofort anrufen, mich fragen und sich führen lassen können. Aber genau das wollte ich vermeiden. Ich wollte, dass sie denken, ausprobieren, erleben. Und sie haben es jedes Mal geschafft – nicht immer mit der elegantesten Lösung, aber immer mit einer eigenen.

Heute weiss ich: Ich könnte meine beiden Grossen irgendwo in der Schweiz „absetzen“ – und sie würden den Weg nach Hause finden. Auch ohne Handy und ohne Google Maps. Weil sie gelernt haben, selbständig zu denken und zu handeln.

Ich glaube fest daran: Wenn wir unseren Kindern zutrauen, Herausforderungen zu meistern, wenn wir ihnen vertrauen, dass sie eigene Wege finden, und wenn wir es schaffen, loszulassen, auch wenn wir uns manchmal sorgen – dann geben wir ihnen gute Werkzeuge für ein starkes Leben mit. Es entsteht eine Erfolgsspirale: Ein Kind, das merkt „Ich kann das“, wird sich beim nächsten Mal wieder etwas zutrauen – vielleicht den Sprung vom Fünf-Meter-Turm. Oder irgendwann den Rückwärtssalto vom Zehner.

Genau das ist bei uns passiert. Ich habe das Video gesehen – mein Kind springt, mutig und entschlossen, rückwärts vom Zehnmeter-Turm. Ich war nicht dabei, aber in dem Moment, als ich das Video sah, hatte ich Gänsehaut. Und ich war stolz. Nicht nur auf den Sprung – sondern auf den Weg dorthin.


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